Auch wenn sich glücklicherweise herausgestellt hat, dass der SLE das Risiko eines schweren COVID-19-Verlaufs nicht wesentlich erhöht, bleibt die Erkrankung potenziell gefährlich. Daher ist die ganz klare Empfehlung, sich impfen zu lassen.
Alle von der EMA, der europäischen Arzneimittelbehörde, zugelassenen Impfstoffe sind hoch wirksam und können das Risiko lebensgefährlicher COVID-19-Verläufe fast auf Null reduzieren. Das gilt sowohl für die mRNA-Impfstoffe von Pfizer/Biontech und Moderna als auch für die Adenovirus-Vektor-Impfstoffe von Astra Zeneca und Johnson & Johnson.
Keiner dieser Impfstoffe ist ein Lebend-Impfstoff, sodass es keine Kontraindikation für Immunsupprimierte gibt. Bei den Adenovirus-Vektor-Impfstoffen von Astra Zeneca und Johnson & Johnson handelt es sich um nicht vermehrungsfähige Viren, die nur dazu dienen, die DNA zur Herstellung des Stachelproteins von SARS-CoV-2 in die menschlichen Zellen einzuschleusen. Neue Viren können nicht gebildet werden. Aus den begrenzten bisherigen Daten zu den COVID-19-Impfstoffen und den Daten zu anderen Impfungen gibt es bisher keine Hinweise darauf, dass durch die Impfung SLE-Schübe ausgelöst werden. Passiert durch eine Impfung selten einmal wirklich ein Schub, wäre dieser wahrscheinlich auch durch die nächste banale Infektion ausgelöst worden.
Unangenehme, aber ungefährliche Nebenwirkungen sind häufig. Bei den mRNA-Impfstoffen treten grippeartige Symptome besonders nach der zweiten, bei den Adenovirus-Impfstoffen vorwiegend nach der ersten Impfung auf. Gliederschmerzen, Kopfweh und etwas erhöhte Temperaturen in der Nacht und am Tag nach der Impfung sind ganz häufig, aber mehr als einen Tag sind nur wenige der Geimpften arbeitsunfähig.
Gefährliche Nebenwirkungen sind hingegen extrem selten, etwa tausend Mal seltener als bei an COVID-19 Erkrankten. Nur weil viele Millionen Menschen bereits geimpft wurden, ist das überhaupt sichtbar geworden. Die Presseinformationen zum Astra Zeneca-Impfstoff und die etwas nervösen Entscheidungen dazu zeigen leider ein verzerrtes Bild.
In Einzelfällen sind über einen Mechanismus, der von Heparin relativ gut bekannt ist, Thrombosen aufgetreten, insbesondere in großen Hirnvenen. Das ist im Einzelfall natürlich dramatisch, aber grundsätzlich behandelbar und sehr, sehr selten. Die Empfehlung ist daher, ins Krankenhaus zu gehen, sollten 4 bis 14 Tage nach einer Impfung unerträgliche Kopfschmerzen oder Schlaganfallsymptome auftreten – also Probleme, bei denen jede Lupus-Patientin und jeder Lupus-Patient ohnedies weiß, dass jetzt die Notaufnahme nachschauen muss. Diese seltenen Probleme haben aber nichts mit typischen SLE-Mechanismen zu tun und dürften aus heutiger Sicht auch beim SLE nicht wahrscheinlicher sein. Falls ein Antiphospholipid-Syndrom besteht, oder zumindest Antiphospholipidantikörper bzw. Lupusantikoagulans nachweisbar sind, oder auch früher schon Thrombosen vorgekommen sind, so sollten sie mit ihrem Rheumatologen über ggf. geeignete Vorsichtsmaßnahmen sprechen.
Unterschiede zwischen den Impfstoffen, die eine klare Empfehlung für einen Impfstoff nahelegen würden, sind bisher zumindest nicht öffentlich bekannt. Es gelten aber die jeweils gültigen Empfehlungen der ständigen Impfkommission am RKI, die bei aller Vorsicht auf dem aktuellesten verfügbaren Stand der Informationen beruhen.
Aus unserer Sicht gibt es nur zwei Substanzen, bei denen spezielle Informationen zur Impfung diskutiert werden: Bei Methotrexat (MTX) ist auf Grund von Grippe-Impfstudien die Empfehlung, MTX nach jeder Impfung jeweils einmal wegzulassen. Das könnte den Impferfolg erhöhen. Und bei Rituximab erscheint es theoretisch sinnvoll, die erste Impfung etwa fünf Wochen vor der nächsten Gabe durchzuführen. Neben Rituximab dürften höhere Cortison-/Prednisondosen, weniger stark auch Azathioprin und Mycophenolat/Mycophenolsäure die Impfantwort abschwächen, aber wahrscheinlich kommt es dennoch in den meisten Fällen zu einem Schutz zumindest vor schweren COVI-19-Erkrankungen. Falls seitens des SLE vertretbar, könnte im Interesse eines besseren Impfansprechens in Absprache mit Ihrem Rheumatologen eine vorübergehende Reduktion der immunsuppressiven Therapie erfolgen. Im Vordergrund steht jedoch die ausreichende Behandlung des SLE, da Krankheitsaktivität eine unmittelbare Gefährdung darstellt und gleichzeitig den Impferfolg beeinträchtigt. Die Daten zu Effekten einer immunsuppressiven Behandlung auf die Impfung sind derzeit noch sehr begrenzt und vorläufig.
Lassen Sie sich also bitte impfen, sobald das möglich ist. (Ja, wir sind auch selbst schon geimpft, um niemand anszustecken.) Aus unserer Sicht ist jeder zugelassene Impfstoff besser als eine weitere Verzögerung. Und tragen Sie bitte Ihre Maske – konsequent und immer über Mund und Nase. Jeder schwere COVID-19-Verlauf ist jetzt, in Anbetracht des Lichtes am Horizont, doppelt tragisch.
Alles Gute und herzliche Grüße
Martin Aringer und Reinhard Voll
Die Deutsche Rheuma Liga hat bereits einen kurzen Frage-Antwort-Katalog erstellt:
https://www.rheuma-liga.de/aktuelles/detailansicht/impfstoffe-gegen-corona-hinweise-fuer-rheuma-betroffene
Weiterführende Informationen finden Sie auf den Seiten der:
https://dgrh.de/Start/Wissenschaft/Forschung/COVID-19/Video–Corona-Impfung-empfohlen.html
und beim Bundesministerium für Gesundheit:
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/coronavirus/faq-covid-19-impfung.html
Bitte sprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt über Ihre Fragen.