Rede von Herrn Wolfgang Clement, Bundesminister a. D.
Anrede
Vor wenigen Tagen hat mir ein Bekannter ein Flugblatt aus Großbritannien mitgebracht.
„WORLD LUPUS DAY – 10 MAY 2006“
war es überschrieben.
„This day will focus on public awareness of this enigmatic disease. We believe that improving awareness of lupus will save lives“.
Und weiter: “An International World Lupus Day Steering Committee was responsible for the inaugural World Lupus Day in 2004. All members strongly agreed that there is a deep, unmet need worldwide to educate and support individuals and families affected by lupus, and an urgent need to increase awareness of the symptoms and health consequences of lupus?
Es folgen dann auf dem Flugblatt einige Hinweise, auf welche Weise die Leser helfen können, im eigenen Umfeld für mehr Aufmerksamkeit für diese Erkrankung zu sorgen.
Anrede
ich habe dieses Flugblatt, das mir mehr oder weniger zufällig in die Hände geriet, so ausführlich zitiert, weil ich es als einen Mutmacher empfinde, als ein Zeichen, dass es mit Ihrem Engagement wie mit dem anderer Menschen in anderen Ländern schon gelungen ist, diese unsere Welt ein ganz klein wenig zum Besseren hin zu verändern.
Sicher ist das, was wir heute an Aufklärung über Lupus registrieren können, und das, was zur Unterstützung erkrankter Menschen geschieht, noch nicht ausreichend ist. Sicher muss noch viel geschehen.
Aber die ersten Schritte sind immer die Wichtigsten. Und diese ersten und die folgenden Schritte in den ersten zwanzig Jahren Ihrer Selbsthilfegemeinschaft waren und sind ermutigend verlaufen: Sie, die Gründerinnen und Gründer, und Sie, die Sie deren Arbeit aufgenommen haben, und Sie, die Sie die Lupus Selbsthilfegemeinschaft und damit die Erkrankten als Ärztinnen und Ärzte, als Spender, Sponsoren und Helfer unterstützen, haben dies vor zwei Jahrzehnten begonnen und sich seither nicht beirren lassen.
Sie haben weder auf „den Staat“ gewartet noch auf Hilfe von Anderen. Sie haben vor der allgemeinen Unkenntnis, manchmal vielleicht auch Ignoranz gegenüber Lupus nicht resigniert, sondern Sie haben die Dinge selbst in die Hand genommen und erlebt, dass man gemeinsam etwas bewegen kann, und Sie haben erlebt, wie hilfreich dieses gemeinsame Handeln für andere Menschen ist.
Zu dem, was Sie auf diese Weise getan und zuwege gebracht haben, möchte ich Ihnen heute gern meine Hochachtung sagen, Ihnen für die kommenden Jahre und Jahrzehnte Glück und weitere Fortschritte im Interesse der Menschen wünschen, für die Sie einstehen, und Sie ermutigen, auf dem eingeschlagenen Weg voller Zuversicht weiter voran zu schreiten.
Anrede
In Deutschland gibt es heute im Gesundheitsbereich, übrigens auch im Sozialen, eine Vielzahl von Selbsthilfegruppen. Es heißt, wir nähmen auf diesem Feld eine europäische Spitzenposition ein. Auch das Unterstützungssystem für die Selbsthilfe wird inzwischen so, wie es sich inzwischen etabliert hat, als wegweisend angesehen.
Aber diese Entwicklung, deren historische Vorläufer bis ins 19. Jahrhundert zurück datieren, die aber in Gestalt einer neuen Selbsthilfebewegung in den 6oer Jahren des vergangenen Jahrhunderts ihren Anfang nahm, hat erst in den 80er Jahren wirklich Fahrt aufgenommen, und erst im Jahr 2002 hat die damalige Enquetekommission „Bürgerschaftliches Engagement“ des deutschen Bundestages die Selbsthilfe als ein wesentliches Element aktiver Bürgerbeteiligung in der sozialstaatlich organisierten Gesellschaft Deutschlands beschrieben und die damalige Bundesregierung aufgefordert, die Selbsthilfeförderung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu betrachten. Seither ist durchaus einiges Konkrete geschehen und es ist gewiss eine bemerkenswerte Bestätigung der Bewegung der Selbsthilfe, wenn in einer repräsentativen Bevölkerungsstudie gut ein Viertel der Befragten die Selbsthilfegruppen als am besten geeignet bezeichnen, die Interessen von Bürgerinnen und Bürgern in der Gesundheitspolitik zu vertreten.
Nach einer aktuellen Untersuchung sind heute bis zu 4 Prozent der erwachsenen Bevölkerung oder 6 bis 9 Prozent der jeweils von einer bestimmten Krankheit betroffenen Menschen in der Selbsthilfe aktiv.
Aber, wie schon gesagt, diese Entwicklung nahm erst in den 80er Jahren ihren Lauf und so war es eine wirklich tapfere Tat, als Karin Hilmer, die heute Frau Pätsch ist, im Jahr 1986 den Verein der Lupus Erythematodes Selbsthilfegemeinschaft und deren erste Gruppe in Dortmund gründete. Das geschah nach einem Aufruf im WDR und der war auch nötig. Denn Frau Hilmer kannte kaum andere Patientinnen oder Patienten, und Ärzte, die Ahnung von der Erkrankung hatten, gab es auch kaum.
Unter solchen Umständen ist entstanden, was wir heute, nach zwei Jahrzehnten feiern dürfen, und dazu will auch ich – gemeinsam mit meiner Frau – unser Teil beitragen, indem wir Frau Pätsch, die die Selbsthilfegemeinschaft bis 1997 leitete, und Frau Winkler-Rohlfing, die diese Aufgabe seither von Wuppertal aus wahrnimmt und die gemeinsame bundesweite Arbeit mit so klugem wie bewundernswertem Einsatz steuert, unseren ganz großen Dank sagen für all das, was sie für die Gemeinschaft getan haben und tun. Und in diesen Dank schließen wir alle die ein, die die beiden Vorsitzenden in dieser Aufgabe begleiteten und unterstützten und die dies – darauf setzen wir – auch weiterhin tun werden.
In den zwei Jahrzehnten seit Gründung der Lupus Selbsthilfegemeinschaft ist, gemessen an den äußerst begrenzten Anfängen, Großartiges entstanden. Es gibt 84 Regionalgruppen mit fast 3000 Mitgliedern, die so wohnortnah wie möglich zusammenkommen können. Es gibt fast 380 kooperierende Ärzte und dazu eine Forschungsarbeit, die aus eigenem Antrieb und aus eigenen Mitteln entstand und die sich fürwahr sehen lassen kann. Es gibt ein Büro in Wuppertal und viel Engagement auch in den Dachverbänden von Lupus und der Selbsthilfe, deren Vertreter ich heute ebenfalls herzlich Grüße. Und es gibt den „Schmetterling“, das sympathische Informationsorgan, das vier Mal im Jahr erscheint und nicht von der Krankheit künden, sondern daran erinnern will, dass Schmetterlinge eben fliegen wollen.
Wie unterschiedlich man doch das Leben wahrnehmen kann!
„Selbsthilfegruppen sind freiwillige Zusammenschlüsse von Menschen auf örtlicher/regionaler Ebene, deren Aktivitäten sich auf die gemeinsame Bewältigung von Krankheiten und/oder psychischen Problemen richten, von denen sie entweder selbst oder als Angehörige betroffen sind“, so heißt es in der Definition der Spitzenverbände der Krankenkassen, und weiter: “Sie wollen mit ihrer Arbeit keinen Gewinn erwirtschaften. Ihr Ziel ist eine Veränderung ihrer persönlichen Lebensumstände und häufig auch ein Hineinwirken in ihr soziales und politisches Umfeld… Selbsthilfegruppen werden nicht von professionellen Helfern (z.B. Ärzten, Therapeuten, anderen Medizin- oder Sozialberufen) geleitet; manche ziehen jedoch gelegentlich Experten zu bestimmten Fragestellungen hinzu“.
Soweit diese gewissermaßen hochoffizielle Definition, die ich der „Gesundheitsberichterstattung des Bundes“ entnahm.
Und nun zitiere ich demgegenüber, was mir Frau Winkler-Rohlfing zur Vorbereitung meiner heutigen Anmerkungen nur in Stichworten zur Charakterisierung der alltäglichen Lupus-Arbeit übermittelte:
„Die Gruppen sind Anlaufstellen vor Ort. Sie bieten Hilfe, Aufklärung, Unterstützung, Zusammengehörigkeitsgefühl, Gemeinsamkeiten, Spaß und Freude… Die Gruppenleiterinnen, die selbst auch Betroffene sind, arbeiten mit großem Zeitaufwand ehrenamtlich. Wir schulen sie regelmäßig, damit sie sich nicht überfordern oder von Patienten überfordert werden. Wir sind eine fröhliche Truppe, die weiß, wie kostbar das Leben ist. In Seminarhäusern gelten wir als die fröhlichsten Feierfreunde, denen man die Krankheit oft nicht anmerkt – Schmetterlinge wollen eben fliegen!“
So ist das wahre Leben.
Und so voller Widersprüche, Höhen und Tiefen, Rätselhaftem und Erwartbarem, Schmerzen und Hoffnungen ist Lupus erythematodes, eine Erkrankung, die – wie Sie alle wissen – unbehandelt tödlich verläuft und früher auch so verlaufen ist, während sie heute relativ gut behandelt werden kann und sodann bei guter Therapie und enger Kontrolle eine fast normale Lebenserwartung zulässt.
Anrede
Damit es nun nicht zu ernst wird, will ich jetzt für ein paar ernsthaft-satirische, ironische Sätze den Kabarettisten Ferdinand Linzenich zu uns sprechen lassen, und zwar so:
„Nehmen Sie mich. Mein Vater pflegt immer über mich zu sagen: Mein Ältester verdient heute damit sein Geld, wofür sie ihn als Schüler vor die Tür gestellt haben.“ – Klar, ich war ein Klassenclown. – Aber was werden Klassenclowns heute? – Nicht Kabarettist, sondern Dauergast beim Kinderpsychiater…. ..Ich glaube nicht, dass ich dann so amüsant geworden wäre. Sind es nicht gerade die Normabweichungen, sagen Sie meinetwegen auch Defekte, die in bestimmten Situationen die Gesellschaft voranbringen? – Ich möchte zum Beispiel nicht wissen, wie viele bahnbrechende mathematische Erkenntnisse nie gemacht worden wären – hätten wir keine Autisten. Wer weiß: Im aufziehenden IT-Zeitalter sind die Autisten vielleicht die Stars. Dann sagen die Frauen vielleicht demnächst: „Ihr Mann ist Autist? – Haben Sie ein Glück. Meiner ist nur Rechtsanwalt!“
Aber auch der Stern von uns Künstlern sinkt ja. Wir sind ja nach neuesten Erkenntnissen alle narzisstischen Persönlichkeiten mit Borderline-Symptomen. Ja, Michelangelo würde heute nicht mehr unter der Decke in der Sixtinischen Kapelle liegen, sondern auf der Pritsche in der geschlossenen. Aber mal ganz ernsthaft: Schauen Sie sich den nach allgemeiner Ansicht brillantesten Kopf der Gegenwart an – Stephen Hawking. Wenn Sie mit dem kommunizieren könnten, würde sich Ihnen schnell die Frage stellen: “Wer ist hier eigentlich der Behinderte?“ Sie sehen, wie schnell sich alles relativiert.
Und es stellt sich eine weitere Frage: Was ist eigentlich Gesundheit?
Tatsache ist doch nur, dass wir alle physisch und genetisch sehr individuell ausgestattet sind. So wie der eine eher ein Sprinter und der andere ein Marathonläufer ist, neigen manche eben auch eher zu Sodbrennen, während andere ein Rückenleiden plagt. Nur eines eint uns alle: Wir konnten uns nicht aussuchen, welche Stärken und Schwächen uns in die Wiege gelegt wurden. Wir müssen uns also mit dem arrangieren, was wir mitbekommen haben. Sollte man Gesundheit deshalb nicht eher danach beurteilen, ob wir uns im Leben wohl fühlen und die Symptome dieses Wohlgefühls zeigen: Unternehmungsfreude, Erkenntnisoffenheit und die Fähigkeit, so selbstvergessen an einer Aufgabe zu arbeiten, dass wir keine Strapazen und Anstrengungen mehr spüren. In einer solchen Sichtweise ist dann beispielsweise ein Wolfgang Schäuble gesund – obwohl er querschnittsgelähmt ist.
Die Gesundheitsapostel sehen das selbstverständlich anders. Und wenn es denen nur um die eigene Person ginge, könnte es uns das wurscht sein. Aber die Behauptung, dass das Leben nur lebenswert ist, wenn man gesund und schön ist, hat eben viele sozialpsychologische Folgen: Sie degradiert Kranke, Alte und weniger Schöne zu Menschen zweiter Klasse. Aber wem sage ich dass hier – Sie kämpfen ja auch gegen Windmühlen. Genauso wie Sie sich ja immer wieder anstrengen müssen, die Lupus-Krankheit ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen. Denn das ist ja die kuriose Kehrseite unserer neurotischen Gesellschaft und ihrer Hysterien: Wirkliche Krankheiten werden häufig nicht angemessen wahrgenommen….“
Anrede
So ist es ganz offensichtlich und deshalb verzagen Sie ja auch nicht, sondern wissen, wieviel noch zu tun ist.
Ich gebe nur ein paar Hinweise:
Natürlich braucht es zur guten Therapie ärztliche Spezialisten, die mit Lupus vertraut sind. Jeder „normale“ Internist bekommt statistisch nur ein bis zwei Lupus-Patienten zu sehen. Benötigt werden deshalb Spezialisten, denn wegen des unterschiedlichen Organbefalls gleicht kein Fall dem anderen.
Weil die ärztliche Versorgungslage aber derzeit weder generell noch speziell besser zu werden scheint, werden ein partnerschaftliches Arzt-Patienten-Verhältnis, wie es sich heute vielfach herausbildet, die Eigenkompetenz und die Selbsthilfe der Gemeinschaft immer wichtiger, auch etwa, wenn es zu Notfällen kommt.
Oder: Die Pharmaindustrie ist mit Studien und Zulassungsanträgen, um es diplomatisch auszudrücken, recht zurückhaltend, weil es bei bundesweit 30 bis 40000 Erkrankten doch um vergleichsweise geringe Patientenzahlen geht.
Ich denke, dass deshalb Grund besteht, an die Verantwortung der pharmazeutischen Industrie zu appellieren und Gesetzgeber und Krankenkassen aufzufordern, die Betroffenen seltener Erkrankungen und deren Belastungen so in den Blick zu nehmen, wie es die Frau unseres Bundespräsidenten mit ihrer Schirmherrschaft über die ACHSE tut. Denn es geht sowohl darum, dass öffentliche Bewusstsein und das Wissen über die Belange von Patientinnen und Patienten mit seltenen Erkrankungen zu fördern als auch darum, Verbesserungen für die Forschung und die Versorgung zu bewirken, beispielsweise auch durch die Entwicklung von angemessenen Kriterien für den Wirksamkeitsnachweise von Therapien.
Und es geht, um einen dritten Problembereich anzusprechen, um das Thema Lupus und Arbeit.
Es ist evident, dass es Probleme im Arbeitsalltag gibt, dass eine ständige Gratwanderung notwendig ist zwischen den beruflichen Anforderungen und den krankheitsbedingten Einschränkungen, dass die Quote von Arbeitslosen unter den Erkrankten hoch ist und dass dies ganz besonders auf junge Leute zutrifft, kurzum: die Frage, wie wir mit Erkrankungen, die viel Sensibilität im Stress der heutigen Wirtschafts- und Arbeitswelten verlangen, umgehen, sagt gewiss etwas über den Zustand unseres Gemeinwesens und seine Werte aus.
Ich nutze deshalb die Gelegenheit, an die Unternehmer und die in Unternehmen Verantwortung Tragenden, die heute hier sind – und ganz besonders an die, die heute nicht hier sind -, zu appellieren: Halten Sie Kopf und Herz offen für diese Anliegen. Geben Sie vor allem Menschen, die im Umgang mit ihrer Erkrankung schon unter Beweis stellen, wieviel Kraft in ihnen steckt, eine Chance, wenn es um Ausbildungsplätze oder um Arbeitsplätze für sie geht.
Anrede
Es ist sicher richtig, dass viele Menschen in unserem Land – wie übrigens auch in anderen europäischen Ländern –verunsichert sind über das, was sich hinter dem Begriff „Globalisierung“ verbirgt, sie suchen nach Orientierung, nicht wenige haben ganz offensichtlich an Vertrauen in „die Politik“ und die politisch Handelnden verloren.
Aber meine Divise ist wie stets: Politik heißt zuallererst auszusprechen, was ist. Und das zu tun, bedeutet, auf den Erneuerungsbedarf unseres Landes in Zeiten weltweiter Veränderungen und auch von gravierenden Veränderungen hierzulande hinzuweisen. Wer nur an die Tatsache des wundersamen Älter-Werdens unserer Gesellschaft denkt, der oder die weiß, dass wir unsere sozialen Sicherungssysteme umbauen müssen, ob wir nun über unser Rentensystem oder eben über unser Gesundheitssystem sprechen.
Die Frage ist, wie dies getan wird, wobei – vor allem, was das Gesundheitssystem angeht – jedenfalls schnell gehandelt werden muss, und zwar sowohl aus volkswirtschaftlichen Gründen als auch, um der allgemeinen Verunsicherung, die die gegenwärtige Reformdiskussion offenkundig auslöst, entgegenzuwirken.
Dabei will ich aus meiner Überzeugung kein Hehl machen, dass wir generell in unserem Land eine Rückbesinnung auf Werte wie Eigenverantwortung und Eigeninitiative als auch auf marktwirtschaftliche Grundbegriffe wie Wettbewerb brauchen. Und ich sehe nicht, dass solche Werte und Begriffe, die die Bundesrepublik Deutschland nicht nur wirtschaftlich stark gemacht haben, etwa im Gegensatz zum Grunderfordernis der Solidarität stünden und es deshalb „kälter werden“ müsse in unserem Land.
Daran werden aber weder die Bundesregierung noch wir alle vorbei gehen können: Wir müssen das System unserer Gesundheitsversorgung, das zugleich der wichtigste Wirtschafts- und Arbeitsmarktfaktor ist, den eine höchstentwickelte Volkswirtschaft wie die unsere hat, wieder ins Lot bringen. Und das geht nicht, ohne zu fragen, wohin denn die gewaltigen Summen, die heute in unsere Gesundheitsversorgung fließen, gehen. Kommen Sie wirklich den Kranken zugute, die deren bedürfen, ob sie nun an einer der vielzitierten Volkskrankheiten leiden oder an einer seltenen wie Lupus? Gehen die Mittel wirklich in die medizinische und pharmazeutische Forschung oder werden sie nicht doch in einem schier undurchschaubaren, nachgerade planwirtschaftlichen administrativem System verteilt? Ist nicht auch in der medizinischen Welt von heute die Bürokratie dem Menschen über? – Das sind nur einige von vielen Fragen, die gerade im Interesse der Betroffenen bei der hoffentlich bevorstehenden Reform unseres Gesundheitswesens beantwortet werden müssen, bevor man in der nächsten Steuererhöhungsrunde landet und die allgemeine Enttäuschung und vor allem die Enttäuschung jener, die auf unser Gesundheitswesen mehr als andere angewiesen sind, noch weiter anwächst.
Anrede
Dabei hat gerade die Selbsthilfebewegung entscheidend dazu beigetragen, dass die Strukturen unseres Gesundheitswesens in Richtung einer verstärkten Patientenorientierung verändert wurden, und zwar auch ganz konkret und materiell. Und es stimmt ja, dass sich immer mehr chronisch kranke Menschen zu Recht und auch mit Erfolg dagegen wehren, als Objekte eines reinen Versorgungssystems betrachtet zu werden. Sie wollen als Expertinnen und Experten in eigener Sache in die Planung und Durchführung von Maßnahmen einbezogen werden, die sie unmittelbar angehen.
So geschieht es aber auch, beispielsweise im Gemeinsamen Bundesausschuss, und so wird die Versorgung chronisch Kranker Schritt für Schritt verändert und mehr und mehr an den tatsächlichen Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten ausgerichtet. Ich gehe davon aus, dass die Selbsthilfe bereits heute ein wichtiger und gewichtiger Teil unserer Gesundheitsversorgung ist, der Schritt für Schritt weiter entwickelt wird.
Anrede
„Willst Du froh und glücklich leben,
lass kein Ehrenamt Dir geben!
Wieviel Mühen, Sorgen, Klagen
Wieviel Ärger musst Du ertragen,
Gibst viel Geld aus, opferst Zeit –
Und der Lohn? – Undankbarkeit!“
Diese fatalistische Beschreibung des Ehrenamtes stammt aus der Feder unseres Wilhelm Busch. Würde man ihm Glauben schenken, müsste man annehmen, dass bürgerschaftlich engagierte Menschen eine vom Aussterben bedrohte Spezies seien.
Aber das Gegenteil ist richtig: Für etwa 22 Millionen Menschen in Deutschland ist eine ehrenamtliche Aufgabe offensichtlich eine Ehrensache, so viele nämlich engagieren sich derzeit für ihre Mitmenschen und für das Gemeinwohl.
Sie tun das unter Aufopferung ihrer Freizeit und ohne dafür einen Obolus zu verlangen. Sie tun das auch, ohne groß Aufhebens davon zu machen.
Deshalb werden Sie verstehen, wenn ich darauf hinweise, dass die Lupus Selbsthilfegemeinschaft sich ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen, Förderungen und Spenden finanziert, dass die Arbeit im Verein – beispielsweise auch die Arbeit der Gruppenleiterinnen – rein ehrenamtlich geleistet wird, dass heute etwa 30 Ärztinnen und Ärzte bei uns sind, die ehrenamtlich arbeiten, und dass wir bei alldem und vielem Weiteren allen Anlas haben, den „EHRENAMTLERN“ hier und heute ein kleines Ehrenmal zu setzen.
Gerade in Zeiten der Veränderung und des Wandels ist das ehrenamtliche Engagement ein unentbehrliches Bindeglied für unsere Gemeinschaft. Es ist, wie Johannes Rau gesagt haben würde, der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält. Wir wären ärmer, wenn es nicht die gäbe, die zum Dienst für ihre Mitmenschen bereit sind und für die das oft ein ganz selbstverständlicher Teil ihres Lebens ist.
Ihnen allen gelten unser Dank und unsere Anerkennung.
Das sage ich ausdrücklich auch an die Adresse all derer, die die so wichtige Arbeit der Lupus Erythematodes Selbsthilfegemeinschaft unterstützen,mit ihrer medizinischen oder forscherischen Kompetenz, die benötigt wird, wenn ich an die Lupus-Langzeit-Studie denke, die an der Uni Düsseldorf unter der Leitung von Professor Schneider erarbeitet wird und die erstmals in Westeuropa Langzeitdaten von Patientinnen und Patienten über 10 Jahre erheben soll,
oder mit ihren Mitteln und Möglichkeiten, wie die Vertreter der Kassen und der Kammern und nicht zuletzt die Spender und Sponsoren, die jene Langzeitstudie und anderes erst möglich machen.
Ihnen allen gelten – unter Ihrer engagierten Führung, Frau Winkler-Rohlfing, – alle guten Wünsche für die vor uns liegende Zeit Ihres Engagements im Dienste der Menschen, die mit dem Schmetterling fliegen wollen.