20 Jahre mediznischer Fortschritt

Ein Blick zurück in Anerkennung

Als ich gebeten wurde, anlässlich der 20 Jahre Feier ein paar Zeilen zu schreiben, war ich mir über deren Inhalt zunächst unsicher. Für mich „ganz natürlich“ begleite ich die Arbeit der Lupus Erythematodes Selbsthilfegemeinschaft in Deutschland sogar schon länger, als es den Verein gibt: über 20 Jahre, einen großen Teil meines Lebens. Das Bild der Erkrankung hat sich in diesem Zeitraum deutlich verändert.
Zunächst einmal bin ich dankbar, die Selbsthilfegemeinschaft so lange begleitet haben zu dürfen. Es war und ist mir eine Verpflichtung und eine Freude zugleich, die Arbeit zu unterstützen und die positive Entwicklung in Ihrer Gemeinschaft hat mich stimuliert, dabei zu bleiben, zuletzt war dies insbesondere auch LuLa-, die Langzeitstudie, ein wirklich ungewöhnliches, einmaliges Projekt für eine Selbsthilfegemeinschaft.
Ich habe mir überlegt, Ihnen im Folgenden einen Überblick über die Entwicklung des Lupus erythematodes in diesen letzten 20 Jahren zu geben. Hierfür habe ich aus den Jahren 1986 bis 2006 Publikationen herausgesucht, die diese Entwicklungen exemplarisch verdeutlichen sollen. Die nachfolgende Übersicht ist nicht umfassend – andere hätten möglicherweise andere Veröffentlichungen gewählt – sondern meine ganz persönliche Sicht der Dinge. Die Arbeiten werden nicht in chronologischer Reihenfolge zitiert, sie sind viel mehr in Themenblöcken zusammengefasst:
Therapie, Krankheitserfassung, Antiphospholipid- Syndrom, Schwangerschaft und Arteriosklerose.

Therapie

Im Jahr 1986 wird eine der am häufigsten zitierten Publikationen zur Therapie der Lupusnephritis, der Nierenbeteiligung beim SLE, veröffentlicht. Die Arbeit von Austin und Kollegen, die im New England Journal of Medicine erschienen ist, fasst die Ergebnisse von 107 Lupus-Patienten zusammen, die wegen einer Lupusnephritis behandelt wurden. Die Arbeit stellt fest, dass Kortison allein für die Behandlung einer Nierenbeteiligung nicht ausreicht. Die immunsuppressive Therapie mit Cyclophosphamid und Azathioprin sichert mehr Patienten einen Erhalt ihrer Nierenfunktion. Aufgrund der geringeren Nebenwirkungsrate und des geringeren Risikoprofils setzt sich danach die Behandlung mit Cyclophosphamid als neuer Therapiestandard der Lupusnephritis durch.
Es fiel nachfolgend schwer, die Ergebnisse dieser sog. „NIH-Studie“ noch zu überbieten. Im Jahr 1994 publizieren die Kollegen Euler und Schröder die Daten zum sog. „Kieler Protokoll“ bei 12 Patienten, bei denen sie in sechs Fällen nach Gabe von Cyclophosphamid im Anschluss an eine Plasmapherese eine komplette Remission der Erkrankung erzielen konnten. Leider konnten diese Ergebnisse, die ja fast an eine Heilung erinnerten, in einer großen internationalen Studie mit einem veränderten Protokoll nicht bestätigt werden. Es ist sicher das Verdienst der Kieler Kollegen, dass damit erstmalig auch über einer Heilung des Lupus erythematodes nachgedacht wurde. Wir haben dieses Ziel bis heute nicht erreicht, sollten es aber dennoch nicht aus den Augen verlieren.
Das Kieler Protokoll hat wohl auch deshalb letztendlich keine größere Verbreitung erfahren, weil die hohe Dosis der Immunsuppression zu einer hohen Infektionsrate führen kann, wenn keine ausreichende Erfahrung bei den behandelnden Ärzten vorliegt. Ein Hauptproblem mit der Cyclophosphamid-Therapie sind wie bekannt die Langzeitfolgen von hohen Dosen dieses Immunsuppressivums. Besonders erfreulich war deshalb die Publikation zum Euro Lupus Trial aus dem Jahre 2002, die zeigen konnte, dass auch mit niedrigen Cyclophosphamid Dosen eine gute Behandlung einer Lupusnephritis möglich ist. Die niedrige Dosis reduzierte das Infektionsrisiko deutlich. Letztendlich muss man aber noch auf Langzeitdaten warten, bevor man eine niedrigdosierte Cyclophosphamid Therapie generell empfehlen kann.
Eine systematische Analyse aller kontrollierten Studien zur Lupusnephritis aus dem Jahr 2004 kommt zu der Schlussfolgerung, dass nach wie vor die Cyclophosphamid- Therapie in Kombination mit Kortison am besten geeignet ist, die Nierenfunktion erhalten. Dabei soll die geringste notwendige Dosis über die möglichst kürzeste Zeit eingesetzt werden. Diese Einschränkungen beziehen sich eindeutig auf das Nebenwirkungsprofil von Cyclophosphamid.
Wegen der bekannten Nebenwirkungen ist die Suche nach alternativen Therapieformen in den letzten Jahren deutlich aktiver geworden. Arbeiten aus den Jahren 2004 und 2005 zeigen hier die ersten Früchte. Sie beschäftigen sich mit der Anwendung von Mycophenolat in der Behandlung der Nierenbeteiligung bei Lupus. In diesen Studien konnte gezeigt werden, dass die Behandlung mit Mycophenolat in der Unterdrückung der Entzündung in der Niere einer Behandlung mit Cyclophosphamid mindestens ebenbürtig ist und dass in der Dauerbehandlung Mycophenolat mit weniger Risiko für Nebenwirkungen einhergeht, zu weniger Schüben des Lupus führt und den Erhalt der Nierenfunktion sichert. Die Behandlung mit Mycophenolat stellt somit eine erste Alternative bei Lupusnephritis dar: Aktuell wird eine große internationale Studie durchgeführt, die dazu beitragen sollen, das Mycophenolat in der Indikation Lupusnephritis zugelassen wird. Zurzeit sind die Krankenkassen in Deutschland leider noch nicht generell dazu verpflichtet, die Kosten für dieses Medikament in der Behandlung des SLE zu übernehmen.
In akuten Phasen des Lupus benötigen die Patienten auch heute noch Kortison. Viele Patienten nehmen kontinuierlich eine niedrig dosierte Kortison-Therapie ein. Es muss immer wieder aufs Neue geprüft werden, ob diese Medikation erforderlich ist. Auf der anderen Seite gibt es Diskussionen dazu, wie hoch im Krankheitsschub die Dosis an Kortison sein muss. Die Datenlage dazu ist eher spärlich. Ich möchte hierzu eine Studie aus dem Jahr 1987 zitieren, in der gezeigt wurde, dass die Gabe von einem Gramm Kortison über drei Tage zu keinem anderen Effekt führt als die Gabe von 100 mg über drei Tage. Die hohe Dosis geht jedoch mit einem erhöhten Risiko für Nebenwirkungen einher (zum Beispiel Infektionen, Psychosen und Knochennekrosen).
Zu den am häufigsten eingesetzten Medikamenten beim Lupus erythematodes gehören die Antimalariamittel – zu Recht! Eine im Jahre 1991 von einer kanadischen Gruppe publizierte Studie konnte zeigen, dass es nach Absetzen von Hydroxychloroquin zu einem erhöhten Risiko von Krankheitsschüben kommt. Neben dieser Prävention einer Krankheitsaktivierung sind Antimalariamittel Therapie der Wahl bei Haut- und Gelenkbeteiligung, sie senken den Cholesterinspiegel und vermindern das Thrombose-Risiko. Schon früh habe ich in meiner Arbeit mit der Selbsthilfegemeinschaft lernen dürfen, dass diese Medikamente nicht wegen tatsächlicher Nebenwirkungen abgesetzt werden, sondern aus Furcht vor Nebenwirkungen. Dies ist sicherlich zum Teil auf eine unzureichende Aufklärung auch der Ärzte zurückzuführen. In diesem Zusammenhang möchte ich eine Untersuchung aus dem Jahr 1997 zitieren, die nach ausführlicher Untersuchung aller Daten zu der Feststellung kommt, dass die Retinopathie, die gefürchtete Veränderung an der Netzhaut, extrem selten ist und bisher nicht nachgewiesen wurde, dass sie häufiger auftritt als in der normalen Bevölkerung. Bekannt ist, dass das Risiko für eine Augenschädigung vor allem niedrig bleibt, wenn die tägliche Dosis des Antimalariamittels an das ideale Körpergewicht adaptiert wird.
Wir können mit den zur Verfügung stehenden Medikamenten sicher die meisten SLE Patienten ausreichend gut behandeln. Trotzdem werden neue Medikamente für den Lupus benötigt – seit 30 Jahren wurde kein neues Medikament mehr für den Lupus zugelassen. Leider haben die bisherigen Entwicklungen mit Ausnahme wohl des Mycophenolat nicht zu den gewünschten Ergebnissen geführt, sie haben jedoch dazu beigetragen, dass man sich intensiver wissenschaftlich mit diesem Feld auseinander setzt. In diesem Zusammenhang möchte ich eine Arbeit aus 1990 zitieren, in der über die Entwicklung einer Säule berichtet, die spezifische Antikörper gegen Doppelstrang-DNS eliminiert. Diese Antikörper sind für die Entwicklung der Erkrankung von großer Bedeutung. Leider hat die Säule nicht den Durchbruch in den klinischen Alltag geschafft, leider auch nicht ein weiteres Medikament, das einen ähnlichen Ansatz versucht hat: LJP 394. LJP 394, erstmalig in seiner Funktionen als Antikörper-bindende Plattform 1995 beschrieben, hat aber das Tor für moderne Studien zum Lupus erythematodes geöffnet. Es wurden erstmalig große internationale Studien mit dieser Substanz durchgeführt, leider haben sie nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht. Aktuell finden sich weitere neue Medikamente in der klinischen Testung, wir hoffen, dass einige von ihnen letztendlich dazu beitragen können, die therapeutischen Optionen für Lupus-Patienten zu erweitern. In diesem Zusammenhang möchte ich eine erste Publikation zur TNF-alpha Blockade erwähnen, in der Kollegen aus Wien zeigen konnten, dass diese Therapie für eine besondere Form der Nierenbeteiligung bei Lupus und für die Arthritis hilfreich sein kann (2004). Diese Medikation, die für die Behandlung der chronischen Polyarthritis zugelassen ist, kann aber auch einen Lupus indizieren, was zeigt, auf welch schmalem Grat man sich mit den neuen Therapien möglicherweise bewegen muss.
Viele Patienten klagen im Lauf ihrer Erkrankung über Müdigkeit, viele bekommen deswegen zunehmende Mengen an Kortison, was aber häufig auch nicht hilft. In solchen Fällen kann auch eine nicht medikamentöse Therapie hilfreich sein, wie eine Untersuchung aus dem Jahr 2003 zeigt. Wie zuvor schon in anderen Studien belegt, konnte eine Arbeitsgruppe aus London zeigen, dass kontrollierte Übungen im Sinne einer Gymnastik deutlich die Müdigkeit verringern können. Körperliche Tätigkeit ist somit nicht generell kontraproduktiv, dies gilt vor allen Dingen, wenn eine hohe Krankheitsaktivität des Lupus ausgeschlossen ist.

Krankheiterfassung

Ein großes Problem in der Behandlung von Patienten mit Lupus erythematodes ist, dass fast alle Patienten ein ganz eigenes, individuelles Krankheitsbild haben. Das führt dazu, dass man nur mit großer Erfahrung Patienten mit komplexen Krankheitsausprägungen ausreichend gut behandeln kann. Zudem macht die Heterogenität der Krankheitserscheinungen klinische Studien, wie sie für die Zulassung von Medikamenten benötigt werden, fast unmöglich. Ein wichtiger Schritt war daher die Entwicklung von Instrumenten zu standardisierten Erfassung der Krankheitsaktivität. Mittlerweile hat sich gezeigt, dass alle zur Verfügung stehenden Instrumente hinreichend gut die Krankheitsaktivität widerspiegeln, genannt seien hier BILAG (1988) und ECLAM (1992). Diese Instrumente können auch im klinischen Alltag genutzt werden, um sich eine größere Sicherheit in der Behandlung von Lupus-Patienten zu verschaffen. So lässt sich individuell beurteilen, ob die Krankheitsaktivität ausreichend gut kontrolliert ist.
Von besonderer Bedeutung ist dabei, dass man Krankheitsaktivität von bereits eingetretenem Schaden differenziert. Schaden kann man nicht mehr beseitigen, eine immunsuppressive Therapie ist für „Narben“ daher nicht erforderlich. Auch hierfür gibt es ein Instrument, das 1996 als SLICC-Damage Score publiziert wurde. Dieser Score ist vor allen Dingen für die Beurteilung der Prognose sehr aussagekräftig.
Für klinische Studien ist es absolut notwendig, das Ziel einer Therapie exakt zu beschreiben. Ein besonderer Verdienst unserer Selbsthilfegemeinschaft ist es, dass sie die Entwicklung solcher Zielkriterien unterstützt hat. Aktuell (2006) sind die Zielkriterien für die Behandlung der Nierenbeteiligung bei Lupus veröffentlicht worden. Diese eröffnen die Möglichkeit, auch unabhängig von klinischen Studien den einzelnen Patienten gezielt unter der Behandlung zu überwachen.

Antiphospholipid-Syndrom

Aus dem Jahr 1986 stammt auch die Arbeit von Graham Hughes, die das Antiphospholipid-Syndrom beschreibt. An ein solches Syndrom muss vor allen Dingen gedacht werden, wenn ein junger Mensch (jünger als 45 Jahre) ohne Risiko-Disposition eine venöse Thrombose erleidet, oder einen Infarkt an Herz oder Gehirn oder eine andere arterielle Thrombose. Auch ein oder mehrere Fehlgeburten im mittleren oder letzten Drittel der Schwangerschaft sind verdächtig. Bestätigt wird der Verdacht dann durch den Nachweis von anti-Cardiolipin Antikörpern oder dem Lupus-Antikoagulanz. Die Zusammenfassung dieses Symptomenkomplexes zu einem Syndrom hat zu einer unglaublichen Entwicklung in diesem Bereich geführt, sowohl was die wissenschaftlichen Aspekte aber auch, was die Behandlung dieser Patienten angeht. 1998 wurden neue Klassifikations-Kriterien für das Antiphospholipid-Syndrom vereinbart, die sog. Sapporo Kriterien.
Das größte Risiko für einen Thrombose haben nach wie vor Patienten mit einem positiven Lupus-Antikoagulanz, dies wurde unter anderem in einer Arbeit von 1989 von der holländischen Arbeitsgruppe festgestellt. Seit der ersten Publikation ist das Krankheitsbild in großen Kohorten von 500 (1989) und 1000 (2002) Betroffenen ausführlich beschrieben. Vor allem die typischen Hautveränderungen einer Livedo reticularis sollten an ein Antiphospholipid-Syndrom denken lassen. Seltenere Assoziationen sind zum Beispiel eine transverse Myelitis und eine pulmonale Hypertonie. Mittlerweile gibt es auch international abgestimmte Empfehlungen zur Behandlung des Antiphospholipid-Syndroms, diese basieren im Wesentlichen auf der Erfahrung und Vereinbarung von Experten. Viele dieser Empfehlungen sind leider immer noch nicht in Studien prospektiv überprüft. Eine retrospektive (zurückblickende) Analyse der englischen Arbeitsgruppe um Hughes und Khamashta aus dem Jahre 1995 belegt das hohe Risiko für rezidivierende Thrombosen und macht deutlich, dass die Antikoagulation mit Marcumar ausreichend intensiv sein muss, damit weitere Thrombosen verhindert werden können.

Schwangerschaft

Eine der nachhaltigsten Erfahrungen aus der Zeit, als ich die ersten Lupus-Patientinnen während meiner Zeit in Münster kennen lernte, war, dass die jungen Frauen bei Diagnosestellung „SLE“ darüber aufgeklärt werden mussten, dass eine Schwangerschaft in ihrem Leben wohl nicht mehr möglich sei. Vielleicht hat mich das damals besonders betroffen gemacht, weil das die Zeit war, in der wir selbst eine Familie gegründet haben. Die Aussage, nicht schwanger werden zu dürfen, hat die jungen Frauen sehr beeinträchtigt, mich selbst hat die Selbstverständlichkeit dieser Aussage dazu getrieben, nach Alternativen zu suchen. Ich war erfreut, auf dem ersten Treffen der Europäischen Selbsthilfegemeinschaften Graham Hughes und seine Mitarbeiter kennen lernen zu dürfen, die schon damals eine Schwangerschaftssprechstunde für Lupus-Patientinnen in London hatten. Wir sind froh, mittlerweile eine solche Sprechstunde auch in Düsseldorf anbieten zu können, unsere Schirmherrin Frau Clement hat sie 1996 eröffnet.
Es gibt eine große Zahl von Studien aus den letzten 20 Jahren, die den Einfluss von Schwangerschaft auf den Lupus und umgekehrt analysiert haben. Ich möchte zwei Arbeiten aus dem Jahr 1993 hier erwähnen, weil sie sogenannte Fall-Kontroll-Studien sind und damit einen Vergleich zu normalen Schwangerschaften aufzeigen. Die Arbeit von Urowitz und Kollegen konnte erstmalig zeigen, dass eine inaktive Erkrankung zu Beginn der Schwangerschaft vor einer Aktivierung des Lupus in der Schwangerschaft schützt. Die Arbeit von Michelle Petri belegte, dass es mehr Frühgeburten bei Lupus Patientinnen gibt und auch mehr Fehlgeburten. Viele dieser Fehlgeburten sind auf das Vorliegen eines Antiphospholipid-Syndroms zurückzuführen. Mehrere Arbeiten haben gezeigt, dass man bei rezidivierenden Fehlgeburten im Rahmen eines Antiphospholipid-Syndroms die Chance für eine normale Schwangerschaft und Entbindung durch den kombinierten Einsatz von niedrig dosiertem Aspirin und Heparin deutlich erhöhen kann. Unter anderem hat dies eine Arbeit von Kutteh aus dem Jahre 1996 an 50 Patientinnen belegt.
Das Problem „Schwangerschaft und Lupus“ wurde vor allem auf die Veränderungen in den weiblichen Geschlechtshormonen während der Schwangerschaft zurückgeführt. Es ist seit langem bekannt, dass Frauen im gebärfähigen Alter das höchste Risiko für eine Entwicklung eines Lupus erythematodes haben, des Weiteren gab es Hinweise darauf, dass weibliche Geschlechtshormone, insbesondere Östrogene, in der Pille auch zu einer Aktivierung des Lupus führen. Deswegen wurde Lupus Patientinnen lange Zeit eine Schwangerschaftsverhütung mit der „Pille“ untersagt, was bei dem gleichzeitigen „Verbot“ einer Schwangerschaft das Sexualleben doch deutlich komplizierte. Hierzu gibt es aus dem Jahr 2005 zwei interessante Publikationen, die zeigen, dass der Einsatz der Pille bei Patientinnen ohne zusätzliche Risikofaktoren wie hohen Blutdruck oder Thrombosen in der Vorgeschichte nicht mit einem erhöhten Risiko einer Krankheitsaktivierung einhergeht. Dies bedeutet nicht, dass alle Lupus-Patientinnen die Pille unbedenklich einnehmen können, es eröffnet aber neue Möglichkeiten für ein ganz normales Leben von Lupus-Patientinnen.
Wie oben ausgeführt, ist die Cyclophosphamid Behandlung in vielen Situationen einer schweren Organbeteiligung des Lupus nach wie vor Therapie der Wahl. Eine wesentliche Langzeitkomplikation dieser Behandlung ist die Entwicklung einer vorzeitigen Insuffizienz der Eierstöcke, die dazu führt, dass viele so behandelte Patientinnen nicht mehr schwanger werden können. Dies trifft vor allen Dingen Patientinnen, die zum Zeitpunkt der Behandlung bereits älter als 30 Jahre sind. Es wird daher versucht, die Cyclophosphamid Dosis möglichst gering zu halten, um so die Eierstock-Funktion zu erhalten. Eine andere Möglichkeit ist, die Patientinnen während der Cyclophosphamid Therapie durch den Einsatz von Hormonen, sogenannter GnRH-Analoga, in einen Hormonzustand zu versetzen, wie er vor der Geschlechtsreife bestand. Dies schützt die Eierstöcke und erhält damit deren Funktion unter der Behandlung mit Cyclophosphamid. Eine erste Arbeit ist dazu im Jahr 2000 erschienen, die Selbsthilfegemeinschaft hat für Arbeiten hierzu ihren Preis vergeben. Dieser Schutz der Eierstöcke und der Erhalt der normalen Hormonsituation führen sicher auch dazu, dass Langzeitschäden wie frühzeitige Osteoporose vermieden werden können. Insgesamt wollen diese Untersuchungen und Interventionen somit zu einer weitgehend uneingeschränkten Lebensqualität der Lupus Patientinnen beitragen.

Arteriosklerose

Schon vor der Gründung der Lupus erythematodes Selbsthilfegemeinschaft in Deutschland gab es Hinweise darauf, dass sich das Gesamtbild der Erkrankung gegenüber Daten aus den fünfziger und sechziger Jahren deutlich verändert hatte. Vor allen Dingen durch Kortison und andere immunsuppressive Medikamente gelingt es, die Akutsituation, den Schub, bei frühzeitigem Erkennen zu beherrschen. Wenn Patienten trotzdem in der frühen Phase der Erkrankung versterben, dann liegt das häufig daran, dass es durch die immunsuppressive Therapie zu Infektionen kommen kann, die lebensbedrohlich werden, weil der Körper durch die Krankheit und die Therapie in seiner Abwehr sehr geschwächt ist. Im Langzeitverlauf treten solche Situationen nur noch sehr selten auf, aber es kommt zu den Folgen eines vorzeitigen Altern, vor allem der Gefäße. Hierzu hat es in den letzten Jahren zahlreiche Untersuchungen gegeben, auf die ich hier kurz eingehen möchte.
1999 konnte die Arbeitsgruppe um Manzi zeigen, dass bei Lupus Patienten gehäuft arteriosklerotische Veränderungen auftreten und dass diese mit einem erhöhten Blutdruck, erhöhten Blutfetten und einer längeren Behandlung mit Kortison assoziiert waren. 2001 belegten Esdaile und Mitarbeiter, dass die beschleunigte Arteriosklerose bei Lupus-Patienten nicht allein durch normale Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht und hohen Blutdruck zu erklären ist. Ihre Hypothese war, dass die Krankheit selber einen Einfluss auf die Arteriosklerose-Entwicklung hat. Im Vergleich zur Kontrollpersonen tritt die Arteriosklerose bei Lupus-Patienten nicht nur gehäuft auf, sondern auch eher, das heißt früher im Leben, wie kontrollierte Studien aus 2003 belegen. Letztendlich ist dieses vorzeitige Altern der Gefäße am ehesten auf die entzündlichen Prozess im Rahmen des Lupus zurückzuführen. Diese Entzündung ist zum Beispiel auch an ein Übergewicht assoziiert (2005), so dass eine Gewichtsnormalisierung möglicherweise über verschiedene Faktoren zu einer besseren Prognose der Erkrankung führt. In diesem Zusammenhang möchte ich noch eine Untersuchung aus dem Jahr 1994 zitieren, die zwar nicht direkt an Lupus-Patienten durchgeführt wurde, die aber für Herzinfarkt Patienten zeigen konnte, dass eine mediterrane Diät, reich einen langkettigen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren, das Risiko für einen neuen Herzinfarkt deutlich vermindert. Ein ähnlicher Effekt kann auch durch den Einsatz von Lipidsenkern, sogenannten Statinen, erzielt werden (2005). Diesen Medikamenten werden auch andere günstige Effekte in Bezug auf den Lupus zugeschrieben, ihr Einsatz und ihre Effektivität sind aber Lupus-Patienten noch nicht abschließend geprüft.
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Zusammenstellung einen kleinen Überblick über Veränderungen in der Behandlung und der Versorgung von Patientinnen und Patienten mit SLE gegeben zu haben. Es hat sich viel getan und es wird sich in den nächsten Jahren noch viel mehr tun. Wir befinden uns in einer Zeit, in der zahlreiche neue Medikamente für die Therapie des Lupus erythematodes entwickelt werden. Erfreulicherweise gibt es mittlerweile auch für den Lupus etwas mehr Geld, um diese Entwicklungen auch in der Klinik zu erproben. Wir alle können guter Hoffnung sein, dass in den nächsten fünf bis 10 Jahren einige Medikamente für die Behandlung des Lupus erythematodes zugelassen werden. Bis dahin versuchen wir, die Lebensqualität der Betroffenen durch Verbesserung der Versorgung weiter zu optimieren. Mit der Lula-Studie schaffen Sie hierzu Ihre eigenen Ergebnisse.
Es gibt guten Grund zu feiern. Viel Spaß dabei!

Prof. Matthias Schneider